Mietvertrag widerrufen

Inhaltsverzeichnis

Ein unterschriebener Mietvertrag ist zwar grundsätzlich bindend, doch es gibt Ausnahmefälle, in denen ein Widerruf des Mietvertrags möglich ist. Liegt ein solcher vor, kann der Mieter den Mietvertrag ohne vorherige Widerrufsbelehrung sogar nach über einem Jahr ohne Angabe von Gründen widerrufen.

Dieser Beitrag erklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Mietvertrag widerrufen werden kann, was ein Widerruf für rechtliche Folgen hat und welche Alternativen zur Vertragsauflösung in Betracht kommen.

Grundsätze zum Widerrufsrecht im Mietrecht

Im deutschen Mietrecht besteht kein generelles Widerrufsrecht nach Vertragsschluss. Das bedeutet, dass ein einmal unterschriebener Mietvertrag in der Regel bindend ist, unabhängig davon, ob der Mieter die Wohnung bezieht oder nicht.

Ein gesetzliches Widerrufsrecht, wie es etwa bei Onlinekäufen vorgesehen ist, gilt für Mietverträge grundsätzlich nicht. Nur unter bestimmten Voraussetzungen – etwa bei einem sogenannten Fernabsatz- oder Haustürgeschäft – kann ein Widerruf erklärt werden.

Dies ist jedoch die Ausnahme und setzt eine besondere Vertragskonstellation voraus.

Grundvoraussetzungen für das Widerrufsrecht

Damit ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB beim Abschluss eines Mietvertrags greifen kann, müssen zunächst drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein und eine besondere Art des Vertragsschlusses vorliegen.

1. Wohnraummietvertrag

Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um einen Wohnraummietvertrag handelt. Gewerbemietverhältnisse sind vollständig vom Widerrufsrecht ausgenommen.

2. Der Vermieter handelt als Unternehmer

Ein Vermieter gilt als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, wenn er planmäßig und mit Gewinnerzielungsabsicht Wohnungen vermietet. Ob dies der Fall ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Anzahl der vermieteten Objekte und dem organisatorischen Aufwand der hierfür nötig ist.

Die Rechtsprechung geht ab etwa drei bis acht Einheiten regelmäßig von einer gewerblichen Vermietung aus. Auch die Einschaltung einer professionellen Hausverwaltung kann u.U. zur Einstufung als Unternehmer führen, selbst bei nur einer vermieteten Wohnung.

3. Der Mieter handelt als Verbraucher

Der Mieter muss die Wohnung überwiegend zu privaten Zwecken nutzen (vgl. § 13 BGB). Nutzt er die Räume hingegen überwiegend zu gewerblichen Zwecken (z. B. Einrichtung eines Büros oder Geschäfts), besteht kein Widerrufsrecht.

Widerrufrecht Mietvertrag

Sind diese Voraussetzungen erfüllt (Wohnraummietvertrag, Vermieter = Unternehmer, Mieter = Verbraucher), kann ein Widerrufsrecht nur entstehen, wenn zusätzlich einer der folgenden besonderen Umstände vorliegt:

  • Der Mietvertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters geschlossen (Haustürgeschäft).
  • Der Vertrag kam über Fernkommunikationsmittel zustande (Fernabsatzvertrag).
  • Im Mietvertrag wurde ausdrücklich ein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart.

Mietvertrag als Haustürgeschäft

Ein Haustürgeschäft i.S.d. § 312b BGB liegt vor, wenn der Mietvertrag außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters zustande kommt, zum Beispiel:

  • in der Wohnung des Mieters,
  • am Arbeitsplatz des Mieters oder
  • in einem Café oder Restaurant, ohne vorherige Verabredung.

Der Mieter wird in diesen Situationen häufig „überrumpelt“, weshalb ihm das Gesetz ein 14-tägiges Widerrufsrecht einräumt. Entscheidend ist, dass der Vertrag nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Mieters zustande kam. Vermieter sollten daher im Zweifel dokumentieren, dass der Mieter den Ort der Vertragsunterzeichnung selbst bestimmt hat.

Beispiel: Der Mieter bittet den Vermieter per E-Mail um ein Treffen in seiner Wohnung zur Vertragsunterzeichnung. In diesem Fall entfällt das Widerrufsrecht.

Mietvertrag als Fernabsatzvertrag

Ein Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c BGB liegt vor, wenn der Mietvertrag ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird, ohne dass sich die Parteien dabei persönlich begegnen. Dazu zählen insbesondere:

  • Telefon,
  • E-Mail,
  • Briefpost,
  • Fax oder
  • digitale Messenger-Dienste (z. B. WhatsApp).

In diesen Fällen steht dem Mieter ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen zu – sofern er die Wohnung nicht vorher besichtigt hat. Denn laut § 312 Abs. 4 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht, wenn der Mieter vorab eine Besichtigung vorgenommen hat.

Die Besichtigung muss dokumentiert sein, idealerweise mit Unterschrift des Mieters.

Ausnahmen und Ausschluss des Widerrufsrechts bei Mietverträgen

Auch wenn grundsätzlich ein Widerrufsrecht bestehen kann, sieht das Gesetz mehrere Ausnahmen vor, bei denen der Mieter kein Widerrufsrecht geltend machen kann, selbst wenn der Vermieter als Unternehmer einzustufen ist und der Mieter die Wohnung privat nutzen möchte.

Abschluss des Mietvertrags in den Geschäftsräumen des Vermieters oder der Hausverwaltung

Wurde der Mietvertrag in den Räumen des Vermieters oder seiner Hausverwaltung unterzeichnet, handelt es sich nicht um ein Haustürgeschäft i.S.d. § 312b BGB. Ein Widerrufsrecht besteht in diesem Fall nicht.

Vollständige Besichtigung der Wohnung vor Vertragsschluss

Hat der Mieter die Wohnung vor Vertragsschluss vollständig besichtigt, entfällt das Widerrufsrecht auch dann, wenn der Vertrag ansonsten als Fernabsatzgeschäft einzuordnen wäre (vgl. § 312 Abs. 4 S. 2 BGB).

Die Besichtigung muss sich dabei auf sämtliche wesentlichen Räume beziehen, also insbesondere auch auf Keller, Dachboden oder etwaige Nebenräume.

Empfehlung für Vermieter: Lassen Sie sich die erfolgte Besichtigung schriftlich bestätigen, idealerweise mit Datum und Unterschrift aller Mietparteien.

Vermieter ist keine unternehmerisch tätige Person

Vermietet der Eigentümer nur ein oder zwei Wohnungen im privaten Rahmen, ohne gewerbliche Struktur und ohne Hausverwaltung, liegt regelmäßig keine unternehmerische Tätigkeit vor.

In diesen Fällen handelt es sich aus rechtlicher Sicht um eine private Vermietung, bei der kein Widerrufsrecht begründet wird.

Mietverhältnis über Gewerberäume

Ein Widerrufsrecht kann ausschließlich bei Wohnraummietverträgen entstehen. Verträge über gewerblich genutzte Einheiten (z. B. Büros, Praxen, Läden) sind grundsätzlich vom Verbraucherschutz ausgenommen, sodass kein Widerruf möglich ist, selbst wenn der Vertrag per E-Mail abgeschlossen wurde.

Widerrufsfrist und Widerrufsbelehrung

Das gesetzliche Widerrufsrecht ist an eine konkrete Frist gebunden. Grundsätzlich gilt gemäß § 355 Abs. 2 BGB:

  • Widerrufsfrist: 14 Tage ab Vertragsschluss.

Der Fristbeginn setzt jedoch voraus, dass der Mieter ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Die Belehrung muss in Textform erfolgen (z. B. als Anlage zum Mietvertrag) und die wesentlichen Pflichtangaben enthalten:

  • Bestehen und Umfang des Widerrufsrechts,
  • Beginn der Widerrufsfrist,
  • Hinweis, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genügt,
  • Anschrift und Name des Vermieters als Empfänger der Widerrufserklärung.
  • Fehlende oder fehlerhafte Belehrung: Verlängerung auf 12 Monate und 14 Tage

ACHTUNG: Wird die Widerrufsbelehrung unterlassen oder ist sie fehlerhaft (z. B. unvollständig, unklar oder formwidrig), verlängert sich die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB automatisch auf 12 Monate und 14 Tage.

Selbst wenn der Mieter bereits eingezogen ist, kann er den Vertrag rückwirkend mit der Folge, dass der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt, widerrufen.

Empfehlung für Vermieter: Wird ein Mietvertrag außerhalb der Geschäftsräume oder im Fernabsatz geschlossen, sollte immer eine rechtlich geprüfte Widerrufsbelehrung beigefügt werden. Andernfalls drohen erhebliche Rückabwicklungsrisiken. In den opacta Vermieterpaketen sind Vorlagen für Widerrufsbelehrungen enthalten.

Form und Inhalt der Widerrufserklärung

Das Gesetz schreibt keine besondere Form für den Widerruf vor. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist für Mieter jedoch eine schriftliche Erklärung dringend zu empfehlen, idealerweise per:

  • Einwurfeinschreiben,
  • Fax mit Sendebericht oder
  • E-Mail mit Lesebestätigung.

Weitere Informationen zur Zustellung: Zustellung von Dokumenten.

Der Widerruf sollte folgende Angaben enthalten:

  • Klare Erklärung, dass der Mietvertrag widerrufen wird („Hiermit widerrufe ich den am [Datum] geschlossenen Mietvertrag über die Wohnung [Anschrift]“),
  • Name und Anschrift des Mieters,
  • Name und Anschrift des Vermieters,
  • Datum des Vertragsschlusses,
  • Eigenhändige Unterschrift bei Schriftform.

Ein Grund für den Widerruf muss nicht genannt werden, es genügt die fristgerechte, formwirksame Erklärung. Wichtig ist, dass der Zugang beim Vermieter nachweisbar ist. Entscheidend für die Fristwahrung ist nach § 355 Abs. 1 S. 5 BGB das Absendedatum der Erklärung, nicht das Empfangsdatum.

Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs

Wird ein Mietvertrag wirksam widerrufen, gilt dieser rechtlich als nicht zustande gekommen (vgl. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB). Es entsteht dann kein Mietverhältnis, und alle mit dem Vertrag verbundenen Rechte und Pflichten entfallen rückwirkend.

Rückgabe der Wohnung

Hat der Mieter die Wohnung bereits bezogen, ist er verpflichtet, diese umgehend zu räumen und zurückzugeben. Eine Kündigungsfrist ist nicht einzuhalten, der Vertrag gilt als von Anfang an nicht wirksam geschlossen (sog. ex tunc Wirkung).

Rückabwicklung von Leistungen

Beide Vertragsparteien müssen das bereits Geleistete zurückgewähren:

  • Der Vermieter muss gezahlte Miete und Betriebskostenvorauszahlungen erstatten.
  • Die Kaution ist ebenfalls vollständig zurückzuzahlen, sofern keine vertragliche Grundlage mehr besteht.
  • Der Mieter muss erhaltene Schlüssel zurückgeben und ggf. den vertragswidrigen Gebrauch der Wohnung beenden.

Ein Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung oder Wertersatz besteht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn der Mieter ausdrücklich verlangt hat, dass die Nutzung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, was im Wohnraummietrecht jedoch kaum vorkommt.

Risiko bei fehlender Belehrung

Hat der Vermieter keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt, und widerruft der Mieter erst nach Monaten, besteht das volle Rückabwicklungsrisiko für den gesamten Zeitraum.

Kann ich den Mietvertrag als Vermieter widerrufen?

Für Vermieter ist der Widerruf eines Mietvertrags nur in sehr engen Grenzen möglich. Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nicht. Die einzige Möglichkeit ist eine vertraglich vereinbarte Widerrufsklausel, die ausdrücklich geregelt sein muss und nur bis zum Mietbeginn gilt. Hier besteht allerdings, vor allem als AGB das Risiko, dass solche Klauseln unwirksam sind, weil die den Mieter unangemessen benachteiligen.

Darüber hinaus kann ein Vermieter den Mietvertrag anfechten, etwa wenn der Mieter bewusst falsche Angaben zu seiner Bonität gemacht oder Unterlagen gefälscht hat (§ 123 BGB). Auch eine fristlose, außerordentliche Kündigung ist möglich, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt (§ 543 BGB).

Zusammenfassung

Ein unterschriebener Mietvertrag ist grundsätzlich bindend. Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nur ausnahmsweise, etwa wenn der Vertrag im Fernabsatz oder als Haustürgeschäft mit einem unternehmerisch handelnden Vermieter und einem privaten Mieter geschlossen wurde.

Voraussetzung ist zudem, dass der Mieter nicht zuvor die Wohnung besichtigt hat.

Wurde der Vertrag in den Geschäftsräumen des Vermieters unterzeichnet oder handelt es sich um private Einzelvermietung, entfällt das Widerrufsrecht. Auch Gewerbemietverträge sind stets ausgeschlossen.

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, kann sich bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung jedoch auf bis zu 12 Monate und 14 Tage verlängern.

Neben dem Widerruf kommen vertragliche oder gesetzliche Alternativen in Betracht: etwa die Anfechtung wegen Täuschung, die fristlose Kündigung bei Unzumutbarkeit, eine ordentliche Kündigung oder ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag. Mietverträge können auch Nachmieterklauseln enthalten, die ein vorzeitiges Ausscheiden erleichtern.

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