Der Begriff Vorkaufsrecht ist gesellschaftlich weit bekannt; zumindest mal gehört hat ihn (fast) jeder einmal. Was dieser Begriff genau bedeutet und wie ein solches Vorkaufsrecht entsteht, ist hingegen weniger bekannt. Kurz und knapp bedeutet Vorkaufsrecht das Recht einer oder mehreren Personen, eine bestimmte Sache – in unserem Fall eine Immobilie – bevorzugt, also als Erster, erwerben zu können.
Ein Vorkaufsrecht an einer Immobilie kann durch entsprechende Eintragung im Grundbuch entstehen (sog. dingliches Vorkaufsrecht).
Was viele nicht wissen: Es gibt ein gesetzliches Mietervorkaufsrecht, welches in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Jenes Vorkaufsrecht ist in § 577 Abs. 1 BGB normiert und gewährt dem Mieter von Wohnraum ein Vorkaufsrecht. Dieses besteht, wenn die Wohnraumimmobilie nach Überlassung an den Mieter an einen Dritten verkauft werden soll.
Mitteilungspflicht und Belehrung über das Vorkaufsrecht
Der Verkäufer ist nach § 577 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 469 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Vorkaufsberechtigten (i.d.R. dem Mieter) den Inhalt des (Immobilien-) Kaufvertrags mitzuteilen. Anstelle des Verkäufers kann auch ein Dritter (z.B. der Käufer) den Mieter wirksam über den Inhalt des Kaufvertrages informieren und ihn über sein Vorkaufsrecht belehren.
Für die Mitteilung über den Verkauf reicht es dabei nicht aus, dem Mieter lediglich die Tatsache des Verkaufs samt Kaufpreis mitzuteilen. Vielmehr muss der Mieter über den gesamten Kaufvertragsinhalt in Kenntnis gesetzt werden, was regelmäßig die Übersendung einer Kopie des Kaufvertrags erfordert. Werden jedoch mehrere Wohnungen zeitgleich zu einem Gesamtpreis verkauft, muss der Vermieter den Mieter nicht über den Einzelpreis der Wohnung informieren; dieser ist sodann nach § 467 BGB zu ermitteln.
Die Belehrung über das Vorkaufsrecht unterliegt keinen besonderen Formerfordernissen. Wenngleich die Schriftform – aus Gründen der Beweisbarkeit – empfehlenswert ist, reicht seit dem 01.10.2016 gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) aus, sie in Textform (z.B. per Fax, E-Mail, Messenger-Nachricht) abzugeben. Generell empfiehlt es sich hier, eine Mitteilungsform zu wählen, die den Zugang beim Mieter beweist, wie z.B. der Einwurf in den Briefkasten durch einen Boten, der auch Kenntnis über den Inhalt des Schreibens hat. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sich den Zugang der Belehrung vom Mieter bestätigen.
Ausnahme: Vorrang von Familienangehörigen und Erben
Eine Ausnahme vom Vorkaufsrecht des Mieters bilden Familienangehörige oder Angehörige des Haushalts des Vermieters (§ 577 Abs. 1 S. 2 BGB). Danach gilt das Vorkaufsrecht des Mieters nicht, wenn die Immobilie an eine Person des zuvor genannten Personenkreis verkauft werden soll.
In einem solchen Fall kann das Mietverhältnis grundsätzlich bestehen bleiben. Dem neuen Eigentümer steht es aber frei, dieses aufgrund von Eigenbedarf zu kündigen, unter den Voraussetzungen von § 577a BGB.
Beachten Sie dabei insbesondere: Soll nach dem Erwerb der Immobilie ein bestehender Mietvertrag zugunsten eines Familienangehörigen wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, gilt eine eingeschränkte Auslegung des Begriffs „Familienangehöriger“. Weitere Informationen finden Sie in unserem Blogbeitrag zum Thema Eigenbedarfskündigung zugunsten des Cousins.
Werden innerhalb einer Erbengemeinschaft (Immobilien-)Anteile verkauft, sind die anderen Erben vorkaufsberechtigt (§ 2034 BGB), sofern sie alle zu gleichen Teilen kaufen. Dies dient dem Schutz der Erbengemeinschaft vor dem Eintreten fremder Personen. Möchte einer der Erben das Vorkaufsrecht allein ausüben, kann er dies tun, wenn die anderen Miterben auf ihr jeweiliges Vorkaufsrecht verzichten.
Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts
Das Vorkaufsrecht des Mieters gilt jedoch nicht unbegrenzt. Schließlich braucht der Verkäufer irgendwann Klarheit über die Gesamtlage, um mit dem Verkaufsvorhaben voranschreiten zu können.
Gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung über den Verkauf und Belehrung über das Vorkaufsrecht, kann der Mieter das Vorkaufsrecht (nur) innerhalb von zwei Monaten ausüben. Bei mehreren Mietern beginnt die Ausübungsfrist erst mit der Mitteilung und Belehrung gegenüber allen Mietern. Werden die Mitteilung über den Verkauf und die Belehrung über das Vorkaufsrecht getrennt voneinander übermittelt/versandt, beginnt die zweimonatige Frist erst, wenn die Mitteilungen dem Mieter gegenüber vollständig vorliegen.
Erfährt der Mieter noch vor der Belehrung über sein Vorkaufsrecht Kenntnis vom Verkaufsfall, kann er das Vorkaufsrecht bereits ausüben.
Gut zu wissen: Die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts bedarf der Schriftform, sie muss also vom Mieter eigenhändig unterschrieben sein. Alternativ kann die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden. Für die elektronische Form muss der Mieter dem Dokument seinen Namen hinzufügen und mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß des Signaturgesetzes unterzeichnen (§ 126a Abs. 1 und Abs. 3 BGB). Für die elektronische Form findet man im Internet einige Anbieter. An der Stelle sei aber erwähnt, dass im privaten Schriftverkehr die elektronische Form eher die Ausnahme als die Norm ist.
Vorkaufsrecht ausgeübt – wie gehts weiter?
Übt der Mieter das Vorkaufsrecht fristgerecht aus, kommt zunächst zwischen dem Mieter und dem Vermieter ein zweiter Kaufvertrag über die Immobilie zustande.
Der Vermieter kann frei entscheiden, ob er den Kaufvertrag mit dem Dritten oder mit dem Mieter schließen möchte. Entscheidet sich der Vermieter dazu, die Immobilie an den Dritten, also nicht den Mieter, zu verkaufen, können unter Umständen Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter entstehen. Dies setzt in der Regel aber voraus, dass der Mieter finanziell tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den Kaufpreis aufzubringen, den es für den Erwerb der Wohnung bedarf. Mit anderen Worten: Für gewöhnlich reicht es für die Begründung eines Schadensersatzanspruches nicht aus, dass der Mieter von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht, wohl wissend, dass seine finanziellen Verhältnisse dies nicht zulassen. Die Höhe des Schadensersatzes lässt sich nicht pauschal beziffern, sondern richtet sich nach den Aspekten des Einzelfalls.
Hinweis: Wenn der Mieter das Vorkaufsrecht ausübt, kommt es zwischen den Beteiligten häufig zu Missverständnissen. Mehrdeutige Aussagen, mündliche Absprachen oder Unwissenheit über Rechte und Pflichten sind nur ein paar dieser Gründe, die zu Missverständnissen führen können. Es empfiehlt sich daher, rechtlichen Rat im Rahmen einer individuellen Beratung bei einem fachkundigen Rechtsanwalt zu vereinbaren.
Fazit
Der Verkauf einer Immobilie birgt viele Unsicherheiten. Darunter findet sich auch die Thematik um das Vorkaufsrecht des Mieters. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es durchaus sinnvoll ist, sämtlichen Kommunikationsverkehr zwischen den Beteiligten in nachvollziehbarer Weise zu führen. Dies kann im Zweifel in vielerlei Hinsicht nützlich sein.
Bei Unsicherheiten ist es darüber hinaus stets ratsam, rechtlichen Rat bei einem fachkundigen Rechtsanwalt zu suchen und sich individuell beraten zu lassen.